Samstag, 12. April 2014

Life In Guangzhou - Nepali Eva & Exams

So, die ruhige Zeit ist vorbei, am Dienstag schellte um vier Uhr dreißig der Wecker. Nachdem ich es vor Aufregung wahrscheinlich grade mal auf eine Stunde Schlaf brachte, wartete ich vor dem benachbarten Häuserblock auf den Bus, der zum Flughafen fuhr (während gefühlt die ganze Stadt noch im Bett war – kaum ein Auto fuhr durch die asphaltierten Adern der Stadt, nur der Straßenfeger trieb den letzten Müll und ein betagter Stadtbewohner seinen Pudel vor sich her – versuchte ich mit bestem chinenglisch, mir eine Buskarte zu lösen; erfreulicherweise hatte der Bus ja nur ein Ziel). Am Flughafen angekommen, war Eva schon längst gelandet und es war nur eine Frage der Zeit, bis ich das richtige Schnellrestaurant gefunden hatte (tatsächlich gibt es am Flughafen mindestens drei Schnellrestaurants der gleichen Marke; und alle entsprechen der Beschreibung „groß“ im Sinne von „mehr als ausreichend groß“). Der Kulturschock könnte wohl größer kaum sein – eingekesselt von 89% Luftfeuchtigkeit, 29 Grad und bestem Guangzhou‘schem Smog.

Währenddessen stehen hier die letzten Klausuren an (wobei auch hier stark von der adaptiven Innovation Gebrauch gemacht wird, d.h. die Innovation besteht hier häufig in der geänderten Reihenfolge der Antwortkästchen bereits vorher diskutierter Fragen). Entscheidender Bestandteil ist allerdings weniger das anwenden gelernten Wissens, sondern viel mehr das rezitieren der Arbeiten des Dozenten und das knüpfen von Beziehungen – Guanxi; in China funktioniert nichts ohne Guanxi.

Was Werte, Strukturen, objektive Daten angeht, ist man hier in China relativ flexibel, solange es dem Zweck dient. Alles verschwimmt in einem Sumpf und wird mehr oder weniger Teil eines Gemischtwarenladen, wo jeder sich das nimmt, was gerade passt. Die einzige permanente Struktur neben dem Parteiapparat besteht allein im Guanxi. Guanxi ist praktisch ein gewaltiges analoges Facebook, ein Netzwerk aus Kontakten in dem sich Gefallen und Gegengefallen ergibt, in dem sich der Alltag der meisten Leute hier in China organisiert.

Und wo pflegt man hier sein Guanxi am besten? Naja, man verbindet einfach das Gute mit dem Angenehmen: Beim Essen (auch wenn es hier wiederholt auftaucht, kann die Bedeutung des Essens und Trinkens nicht oft genug betont werden; anstatt „Wie geht’s?“ und „Was machst du?“ heißt es hier „Hast du schon gegessen?“). So wird auch hier die letzte Vorlesung oft ins Restaurant verlegt, wo schnell noch sämtliche Kontaktdaten ausgetauscht werden – man weiß ja nie – und bei ausreichend pi jiu und gan bei das Ende des Kurses eingeläutet.


Donnerstag, 3. April 2014

Life In Guangzhou - Baoyu

Das Wetter in Guangzhou ist etwas anders als ich mir das dann doch vorgestellt hatte. Statt blauem Himmel, strahlender Sonne und trockenen 30 Grad gibt es hier – wenn man vor lauter Smog denn auch was sehen kann – grau grünen Himmel, strömenden Regen und schwüle 28 Grad, sodass man am Ende nicht mehr weiß, ob das jetzt Schweiß oder Regen ist, der dafür sorgt, dass das T-Shirt regelmäßig gegen den Körper klatscht und nur widerwillig schlurfend von der Haut weicht.

Die Sache hat aber auch mindestens einen Vorteil. Sobald die grau grüne Wasserwand eine Pause einlegt, strömen die Menschen gleich dem Regen auf die Straßen, füllen die Plätze und nutzen den trockenen Moment dazu, Schildkröten zu angeln, den Hund auszuführen oder den Bauch zu sonnen (letzteres machen hier grundsätzlich nur die Männer; dabei ist ein feister Wanst Grundvoraussetzung, damit der Pullover oberhalb der Bauchkante gut hängen bleibt). Die Momente werden ausgekostet, bis es wieder losgeht und man ist mitten in einem Lebenskonzentrat, was sich wahrscheinlich sonst über den ganzen Tag verteilt. Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass der Smog nachher oft weniger stark ist als vorher (weg ist er nicht, er liegt meist immer noch beim fünffachen der empfohlenen Obergrenze).

Letztlich bin ich aber ganz froh, dass mich das Studium an der Business School im nur zwischen Vorlesung und Kneipe hält (letztere ist im Bildungsprozess Chinas nicht zu unterschätzen; nicht nur, das man manchen Blödsinn getrost aus dem Kopf jagen kann, häufig ist auch noch der ein oder andere Dozent anwesend, der nur allzu gern Kontakte ins Ausland knüpft; unglücklich ist dabei vielleicht nur allenfalls die eingeschränkte Trinkfestigkeit).


Montag, 31. März 2014

Life In Guangzhou - Tsingtao

Wen wird es wohl wundern, dass das bekannteste chinesische Bier ursprünglich durch die Hände deutscher Braukunst in der gleichnamigen Stadt entstanden ist?

Dabei ist der Geschmack jedoch stark unterschiedlich: Was man in Deutschland wohl eher als mit Wasser gepantschte Hopfenschorle oder kurz als Kölsch bezeichnen würde, ist in China sehr beliebt: Pi Jiu, „Bier Wein“. Nicht selten rennt in der Kneipe der erste Chinese schon nach ein, zwei Flaschen nur noch halb bekleidet lallend durch die Reihen – häufig auf dem Weg in die Arme eines Freundes, der nicht schon zwischen Stühlen und Tischen liegt oder aber, noch häufiger, auf dem Weg zur Toilette.

Viel schlimmer noch als das Bier, ist aber der Reisschnaps: Bai Jiu – wörtlich „Weißwein“. Serviert in kleinen Tontassen, knapp unter Körpertemperatur, schmeckt er eher wie abgestandenes Blumenwasser an einem warmen Augustabend. Allerdings mit dem fatalen Unterschied, dass man Blumenwasser wohl nicht in den Mengen trinkt und die Kopfschmerzen sich am nächsten Tag wohl eher in Grenzen halten. Tatsächlich gehört eine gute Trinkfestigkeit hier aber auch zur grundsätzlichen Ausbildung, will man in China Geschäfte machen (so zumindest der O-Ton des Dozenten nach der dritten Runde Bai Jiu und mehreren Pi Jiu).


Mittwoch, 26. März 2014

Life In Guangzhou - Hen hao


Wieder was gelernt. Da soll noch einer sagen, meine Leistung in der Vorlesung bestünde nur darin den Stuhl zu wärmen: In China spricht man nicht vom „Kopieren", sondern von der „adaptiven Innovation". So zumindest die Lehre aus der heutigen Vorlesung „strategisches Management". Nun wäre es gänzlich falsch zu denken, die Chinesen wären nicht innovativ (zumindest was das Essen angeht kann ich das nur bestätigen – Kartoffeln mit Honigkaramellkruste, Erdnuss-Mangopaste in frittierten Teeblättern; das ist jetzt zwar vielleicht kein Doppelkupplungsgetriebe, aber eindeutig einfallsreicher als die kulinarische Leistung in Form eines Schnitzelbrötchens. Wem das kulinarische nicht so zusagt, dem bleibt immer noch das in einem gewissen Sinne doch praktische und effiziente Duschklo).
Allerdings ist man hier nach wie vor sehr gut im adaptiven Teil. So kann man ohne Probleme einen Sack voll nicht ganz originaler Breitlinguhren, einen Schrank adaptiver Armani-Anzüge oder eine Kiste Ray Ben Brillen kaufen. Dabei ist dies für Guangzhou – quasi als Mutter der Textilhändler – letztlich nur ein netter Nebenverdienst. In den Stockwerken, weit über den Straßenläden voll Ray Ben, Armani und Breitling, werden im Großhandel ganze Kollektionen bestellt und abgewickelt. Die ausgestellten T-Shirts, Hosen, Kleider und Röcke werden hier gleich kartonweise verkauft (das merkt man spätestens dann wenn man sich fleißig durch die T-Shirts probiert hat und an der Kasse nur nach Kreditkarte und Containernummer gefragt wird). Heerscharen eifriger Arbeiter karren die Kartons gleich palettenweise durch die engen Gassen, zimmern mit flinken Händen aus Latten und Nägeln Kisten, die sie sodann direkt auf den LKW oder in Container laden.
Am Rande vielleicht ein zwei Sachen zum Einkaufen, die man beim nächsten China-Urlaub berücksichtigen kann: Schuhe ab Größe 43 (die gibt es hier zwar, allerdings ist man dabei nicht so genau und es handelt sich eher um eine gute 42), Käse (gibt es hier auch, aber eher in einer stark adaptiv-innovativen Version) und Haarspray (es steht zumindest auf der Dose, aber es hält nicht das was es verspricht bzw. halten sollte; es kommt was vorne raus und duftet recht gut, aber das tut Deo wohl auch). Während ich also in den immer gleichen Schuhen auf der Suche nach dem Käse suche, habe ich zumindest für das Haarspray-Problem eine Lösung gefunden.